In einem Leserbrief zu einer früheren Ausgabe von
REDMASK wurde
bereits die Frage gestellt, welche von den veröffentlichten Erzählungen tatsächlich "konkret" dem Cthulhu-Mythos oder der Lovecraftiana zuzuordnen sind. Eine unschuldige, vielleicht ein wenig frustrierte, aber doch sicherlich sinnvolle Frage, die jedoch auch die Erzähler selbst in einen Zustand kognitiver Dissonanz stürzen muss.
Irgendjemand ist uns auf die Schliche gekommen, hallt es panisch durch die Telefonleitungen,
wie kommen wir da wieder raus…?Es ist wahr: es sind nicht nur die Leser, sondern auch die Autoren, die bei einigen Fabeln lähmende Unsicherheit empfinden, ob es sich um authentische Lovecraftiana oder nur um eine erstaunliche Simulation handelt; literarisches Mimikry, bizarre autoerotische Cargokulte alternder Fanboys, die die Erkennungszeichen ihrer Götter reproduzieren, ohne ihre Funktion zu kennen. (Hinweis: sie haben keine.) Können wir das bitte klären?
Martin Jungs
„Die Aasschwarzen Gruben" (RM1) kommt sehr überzeugend mit einem Lovecraft-Zitat daher, aber tatsächlich gibt es keine konkrete Verbindung zum Mythos, wenn man von der Existenz endloser Höhlen voller Ghoule absieht; ähnlich steht es mit meiner hochgeschätzten
„Ukkos kalte Hand“ (RM1), die zwar irgendwie den finnischen Mythos in Verbindung setzt mit dem Wendigo oder ähnlichem, die man aus mythosartigen Geschichten von Derleth u.a. kennt, aber es fehlt der letztendliche Beweis.
Ebenso grenzwertig ist
„Der seltsame Fall der Periphéron“ (RM2), der in einem Pseudo-Empire-Paralleluniversum angesiedelt ist. Gut, der Planet nennt sich Necronomiconne, und der Passagier, der ‚Anzeichen der Unruhe’ aufweist, heißt Derzahla (bitte einmal rückwärts lesen), aber ist dies ein konkreter Bezug zum Mythos oder nur, wie nahe liegt, literarische Pose der Messires Gruner & Petrarcha?
In der Maximilian Gumbel-Story
„Das Praetorius-Exemplar“ kommt die Mythos-Schrift „Unaussprechlichen Kulten“ des Von Junzt vor, was bedeutet, dass sie zumindest am Rand des Mythos anzusiedeln ist – weitere Geschichten um den okkulten Detektiv jedoch nicht zwangsweise. Oder doch? Und was bedeutet das dann für uns, wenn
„Der Lazarus-Käfer“ (RM1) angeblich auf einer wahren Begebenheit basieren soll?
Genau umgekehrt verhält es sich mit
„Das Haus im Walde“ (RM1), das thematisch und von der Detailfülle doch recht überzeugend als norddeutsche Lovecraftiana zu identifizieren ist. Der einzige konkrete namentliche Bezug zum Mythos findet sich jedoch so versteckt und ist so esoterisch, dass selbst der Autor suchen muss, um die Verbindung wieder herzustellen. Er hätte es sich es auch einfacher machen können, und unter den üblen Schriften, die im Blunck-Haus zu finden waren, ein paar der verdammten Bücher des Mythos verstecken können…
update: "Das Haus im Walde" zitiert die Leiber-Papiere, erwähnt das Ältere Pharos, Aythamaahn, Kythamil, Yaddith, die grünen Monde von Yag.„Akte 13“(RM2) ist eine Art literarischer Doppelagent. Er beginnt mit der faktoiden Kritik an der so genannten
„Gregorius-Ausgabe“ des Nekronomicons, die der Schikowski-Verlag auf die Welt gebracht hat, schnell jedoch wird klar, dass die Kritik von jemandem kommt, in dessen Universum das
Kitab Al Azif mehr als nur Realität ist. Daraus folgt, dass alle weiteren vorgelegten Dokumente ebenfalls in einer lovecraftischen Welt angesiedelt sind. Die Existenz versunkener Kontinente und ihrer abscheulichen Gottheiten eingeschlossen.
update: namentlich erwähnt wird die "lemurische Gottheit" Barthanggana, die Mutter der Abscheulichkeiten, auch "Grüne Schlange" genannt.„Der Gefangene der Kasbah“ (RM2) jedoch ist der Jackpot der Lovecraftiana in der roten Maske. Hier ist der Plot nur Nebensache, um möglichst vielseitig der Vorgabe zu entsprechen:
Was wäre, wenn William S. Burroughs eine Cthulhu-Geschichte geschrieben hätte? Irgendwo in der Interzone, am Strand von Marokko: hier gibt es alles, Beatniks und Exilanten, Drogenprofessoren und Kultisten, die auf wahnwitzigen Pfeifen etwas herbeisingen wollen… Und dann sind da noch einige andere direkte Bezüge zum Mythos eingemischt, aber dezent, so dass man sie erst beim zweiten Lesen bemerken kann… oder wenn es schon längst zu spät ist…
In kommenden Ausgaben von
REDMASK:
Die Leiber-Papiere! Fischmenschen des Wold Newton! Und… Cthulhu singt!