Der narrative Imperativ – der Impuls, dem sich die erzählte Wirklichkeit unterzuordnen hat – in Werken des Grauens oder der phantastischen Apokalyptik, wie es die Geschichten von der Sterbenden Erde sind, ist von fast buddhistisch anmutender Konsequenz: Alles ist Leid, und alle sterben.
Das mag den pubertierenden Autoren erheitern, der lieber Horrorstories schreibt als seine Altersgenossen, die mit gleicher Anmut depressive Blankverslyrik über Liebesleid und das abgefuckte Essen in der Schulcafeteria verfassen. Der reife (also postpubertäre) Schreiber fühlt sich spätestens nach dem dritten Text, in dem die Hauptfigur im letzten Absatz ermeuchelt oder von einem plötzlich hervorspringenden cthulhoiden Monstrum verschlungen wird, ein wenig gelangweilt. Umso schlimmer, wenn es die eigenen Erzählungen sind, die man vor 20 Jahren sorgsam in einer Schuhschachtel versteckt hat.
So geht es mir momentan. Als ich vor einiger Zeit mal wieder mein Material sortierte, fiel mir auf, dass ich einige Erzählungen in den letzten Jahren nicht neu bearbeitet hatte, obwohl sie sich eigentlich anbieten würden. Drei Geschichten liegen jetzt vor mir, die ich im Auge habe. Anscheinend beziehen sie sich sogar aufeinander, was allerdings kein Wunder ist, da ich sie innerhalb einer Woche heruntergetippt hatte. Schauen wir sie uns einmal näher an (ich sage ‚wir“, aber natürlich ordne ich hier nur meine eigenen Gedanken vor Publikum, aber wenn Sie die Reise mitmachen wollen, sind Sie herzlich eingeladen.)
Zwei der Geschichten, „Der Taucher“ und „Der Schatz des Tezcatl“ spielen an und in einem Gewässer, das den Namen Haimeer trägt und an den Küsten eines eigenartig retroaktiven Mexikos liegt, mit Namen Mexé. Retroaktiv nenne ich es einfach, im Endeffekt scheint es sich um eine etwas laue Kopie aztekischer Namen und Phrasen zu handeln. „Der Taucher“ endet damit, dass der Titelheld eben nicht mehr auftaucht, „Schatz des Tezcatl“ eigentlich genauso, auch wenn es um einen Schatz (siehe Titel) und einige piratenartige Schatzsucher geht. Immerhin, netter Bezug aufeinander. Vielleicht taucht der „Taucher“ in der anderen Geschichte sogar wieder auf, um einmal ein Wortspiel zu quälen. In „Schatz“ (klingt fast gollumesk, diese verkürzte Art der Zitation, nicht wahr?) wird zudem noch auf die Ruinenstadt Birdum hingewiesen, von Mumien bewohnt, die in „Die Stadt“ (ich weiß, die Titel sind nicht die großen Knaller, aber wenigstens zutreffend) von einem Schatzsucher besucht wird, der – man ahnt es schon – im letzten Absatz dahingemeuchelt wird. Oder von einem cthulhoiden Monstrum verschlungen, ich weiß es nicht mehr. Gut, ich lüge. In einer von Mumien bewohnten Stadt erwartet man natürlich, dass es die Mumien sind, die meucheln. Hätte ich das bloß nicht schon weiter oben verraten.
Der narrative Imperativ herrscht also unumschränkt über die Ruinen dieser drei Geschichten. Alles ist Leid, und alle sterben, wenn sie nicht sowieso schon tot waren.
Was, wenn man jetzt diese drei Geschichten zu einer einzigen vereint?
Wird es besser? oder schlimmer? Kann man eine Pointe retten, indem man sie verdoppelt oder verdreifacht? Oder verlangt ein solcher Stoff nicht nach neuen, viel grausameren Lösungen?
Gibt es ein Happyend für Mumien?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen