Dienstag, September 30, 2008

Nun sehe ich es...

Nachdem ich seit Donnerstag mehr oder minder halbblind war (Bindehautentzündung mit Hornhautläsion, argh), ein Blick in das laufende Manuskript...
...die neun schwarzrückigen Bücher zu prüfen, die immer noch auf den völlig verstaubten Bücherregalen standen. Sie waren alt, sogar sehr alt, so dass er sich genötigt sah, besonders vorsichtig zu sein, als er sie aufschlug, denn ihre Lederrücken knisterten schon. Auch waren sie von Schimmel und Stockflecken schon so geschädigt, dass einige von ihnen nicht mehr zu lesen waren - aber für einen Historiker wie Claußen waren sie von höchstem Interesse, waren sie doch recht ungewöhnliche und schwer zu bekommende Schriften aus den Randbereichen deutscher Romantik, deutlich dem Okkultismus zugeneigt - deshalb wohl für Ducasse mit seinen häufigen Randbemerkungen zu den theosophischen Lehren der Rosenkreuzer und anderer interessant.
Eines war Eliphas Levis DOGME ET RITUEL DE LA HAUTE MAGIC, DOKUMENTE DER GNOSIS von Schultz, Bodins DE MAGORUM DAEMONOMANIA, Norks SITTEN UND GEBRÄUCHE DER DEUTSCHEN sowie ein HANDBUCH DES DEUTSCHEN ABERGLAUBENS von 1927, aber auch so eigentümliche Bücher wie FIGUREN DER ROSENKREUZER, das einen Stempel „Altona 1785“ trug, DAS BUCH VON THOTH aus dem Jahr 1788, Lars Stevensons KULTE DER ZEITEN aus dem Jahre 1901 und ein eigentümliches Buch, das ganz in schwarzes Leder eingebunden war und erst auf seiner dritten Seite seinen Titel, MYSTAGOGUS GNOSTICUS offenbarte.
In diesem Buch war es, in dem Claußen wie durch ein Wunder mehrere Blätter eng beschriebenen Papieres entdeckte. Er sah sofort, dass sie in der Handschrift Luc Ducasses beschrieben waren, aber da waren auch ein paar kleinere Blätter gelblichen Papieres in einer anderen Schrift, die vollständig unverständliche Zeichen aufwiesen.
Ja, definitiv, das muss weg.

Montag, September 22, 2008

Buch und Ungeheuer

Konnte heute mit großem Genuß eine längere Zeit an der Novelle arbeiten. Sinnvollerweise habe ich nunmehr wieder am Anbeginn begonnen – alle notwendigen Verbesserungen und Hintergrundmaterialien liegen ja bereits vor. Da gerade am Anbeginn die Erzählung ein wenig steif war, habe ich die ersten Seiten komplett neu geschrieben, und somit die Charaktere von Ducasse, vor allem aber auch von Claußen, in das richtige Licht gerückt. Gekommen bin ich bis zu dem punkt, wo Claußen das Haus des Hexers Blunck bezieht und sich die Überbleibsel der letzten hundert Jahre ansieht. Im Original stehen dann dort irgendwelche Grimoires und Zauberbücher, der unauffällig auffällige Hinweis darauf, das irgendetwas mit der ganzen Sache nicht stimmen kann.

Und hier haben wir wieder einen typischen Fallstrick der Art von Mystery, wie sie Lovecraft und seine Epigonen verfassten: Denn wenn man auch die filigran konstruierten literarischen Elaborate ästhetisch zu schätzen weiß, sind sie doch inzwischen zu klischeehaften Signifikatoren degeneriert. Die bloße Erwähnung der Cultes des Ghoules oder Namenlosen Kulten, oder gar des Nekronomicons, genügt bereits, um eine Geschichte fest innerhalb des Mythos zu verorten und ihr die Genrekonventionen anzuhängen. Dies ist natürlich Irrsinn, und mindert irgendwann auch den Spaß. Schlimmer noch, in dem Subgenre des Genres, in der ein „altes Übel“ wieder auftaucht, das bereits einmal erfolgreich bekämpft werden konnte, stellt sich beim Erscheinen des satanischen Schriftthums doch die Frage, warum man solche Lektüre weitertradiert hat, statt sie zu zerstören. Warum liegt in jedem zerfallenen Gebäude eine Ausgabe eines unglaublich seltenen und unglaublich gefährlichen Buches, nur darauf wartend, die Retina des unvorsichtigen Lesers zu überfallen und seinen Verstand in das Äquivalent einer überkochten Tapioka zu verwandeln. Barum, oh großer Baumeister aller Welten?

„Weil es nun mal so ist, mein Sohn. Wir nehmen in solchen Geschichten die Abkürzung, nicht den langen schmerzhaften Weg. Willst Du den Leser wirklich mit viertausend Jahren okkulter Geschichte langweilen, bevor ein angemessen tentakelbewehrtes Monster hervorbricht?“

Naja, der alte Mann hat sicherlich recht. Andererseits kann man dann auf die Abkürzung vielleicht auch gleich verzichten. Da man sowieso damit rechnet – warum nicht ein Instantungetüm? Robert Bloch hat es in einer seiner Kurzgeschichten einmal konsequent vorgemacht: Hier erschien das Ungeheuer aus dem Buch, das Buch war das Ungeheuer. Mit Erfolg: Diese Geschichte war die Inspiration für H.P. Lovecrafts "Der Leuchtende Trapezoider" (The Haunter of the Dark).

Dienstag, September 16, 2008

Redmask 1 :: Das Haus im Walde 3.1

In Ausführung der Überlegungen der letzten Tage (wegen akutem Zeitmangel konnte ich nichts niederschreiben) heute das Manuskript noch einmal auf die Protagonisten durchforstet, einige logische Fehler herausgenommen, die entstanden sind, weil ich die Story aus dem komplexen Geflecht von Bezügen und Verweisen herausgenommen habe, die nur dann Sinn machen würden oder interessant wären, wenn man das ganze Multiversum (oder Metatext) kennen würde, das ich in den 80ern erfunden habe. Aber – wie hiess es vor einigen Jahren mal? Das Multiversum ist tot, und so arbeite ich an allen Geschichten seitdem weitaus linearer als ich es gewohnt bin. Auf jeden Fall soll die Geschichte in sich abgeschlossen sein – den eigenartigen Iren, der inzwischen Kirowan hiess, habe ich also herausgenommen, vielleicht werde ich als Insidergag stattdessen einen Verweis auf den echten John Kirowan aus Robert E. Howards Geschichten einbauen. Zeitlich und thematisch würde als sogar passen und macht mehr Sinn.

Auf dem Tisch habe ich gerade noch die Liste der Grimoires im Besitz von Blunck (ausgewählt nach verschiedenen Kriterien, einige Titel aus der Dissertation von Stephan Bachter „Anleitung zum Aberglauben Zauberbücher und die Verbreitung magischen ‚Wissens’ seit dem 18. Jahrhundert“
  1. Albertus Magnus bewährte und approbierte sympathetische und natürliche egyptische Geheimnisse für Menschen und Vieh.
  2. D. I. Fausti dreyfacher Hoellen-Zwang und Magische (Geister-Commando) nebst den schwarzen raben
  3. Das Buch der entschleierten Geheimnisse oder Sammlung 72 nützlicher Mittel. Nebst einem Anhange, enthaltend: Anweisung zur Bereitung der chemisch=reinsten Essige, und Kunst, versteinertes Holz zu machen.
  4. Das Heilige Büchlein der Schwarzen Venus
  5. Das sechste und siebente Buch Mosis, das ist: Mosis magische Geisterkunst, das Geheimniß aller Geheimnisse
  6. Der goldene Habermann.
  7. Der wahre geistliche Schild
  8. Romanus-Büchlein oder Gott der HErr bewahre meine Seele meinen Aus-und Eingang
  9. Taschenbuch der höheren Magie für Freunde wahrer Weisheit und höherer Kenntnisse. Herausgegeben von einigen ehemaligen Mitgliedern der Afrikanischen Bauherrn=Loge.
Von besonderem Interesse ist hier das Heilige Büchlein der Schwarzen Venus, ein Mini-Grimoire, das im allgemeinen heutzutage wenig Beachtung findet, aber einen gewissen Reiz ausübt, da das in ihm beschriebene System und Hierarchie von „Daimonien“ origineller ist als die der meisten besser bekannten Zauberbücher und weniger auf einen jüdisch-christlichen Kontext verweist als vielmehr auf ältere und weit entlegenere Mysterien… Eine Veröffentlichung dieses eigentümlichen Textes aus dem ‚Journal of the Western Mystery Tradition’ (im lateinischen Original und englischer Übersetzung) findet man unter http://www.jwmt.org/v2n12/venus.html.

Mittwoch, September 10, 2008

Redmask 1 :: Das Haus im Walde 3.0

Zwischen Abendbrot und Zubettgehen schnell noch ein paar Informationen zusammengetragen. „Das Haus im Walde“ spielt ja 1928, kein unbedingt bedeutsames, aber auch nicht unbedeutendes Jahr. Wenigstens für ein paar Bemerkungen aus der damaligen Zeit sollte das gut sein. Interessant, wie sehr man sich ausgerechnet in diesem Jahr für Strahlung interessiert hat – in weiten Teilen scheint sich der Fokus der Wissenschaft und Technik tatsächlich nicht weiterentwickelt zu haben, nur verfeinert. Wir arbeiten heute noch mit Ideen aus dem Berlin der 20er Jahre. Ich glaube, da liegt auch ein Hauptgrund des Problemes, meine kleinen Droogs.

Item: die Original-Schwarzmagier aus dem Ur-Manuskript befassen sich für meinen Geschmack zuviel mit Kabbalah, und ihre Intentionen sind nicht wirklich hervorgearbeitet. Ich möchte sie in einen anderen ideengeschichtlichen Zusammenhang stellen, und ziehe dazu die barbarischen Namen aus dem Büchlein der Schwarzen Venus hinzu. Horror! Sollte es sich doch noch um… Magie handeln?

Freitag, September 05, 2008

Redmask 1 :: Das Haus im Walde 2.0

Weiteres zur Erzählung "Das Haus im Walde", und den eigentümlichen Dingen, die mir bei der Bearbeitung dieser Erzählung begegnet sind... (auch: erste Gedanken zur Gothic Gematria)

10.08.2008 16:58:07
Diese und jenes verfeinert. Mit der magischen Bibliothek, die in der Geschichte erwähnt wird, bin ich unzufrieden, es unwahrscheinlich, dass man so etwas nach den Geschehnissen dort stehen lassen würde. Dies sollte auf jeden Fall geändert werden – stattdessen habe ich mir den Spaß gegönnt, in einen der veröffentlichten Briefe ein Postskriptum einzufügen, in dem einige wirklich existierende Grimoires und Geisterbüchlein erwähnt werden. Zum Verkauf offen – schliesslich handelt es sich um Hamburger, die diese erschröcklichen Schriften sicherstellen. Mohltied!
Wiederum Notiz an mich: Die fiktive Landschaft und Ortschaften im Süden Hamburgs, in denen auch die Pyropunkgeschichten ihre Heimat haben, ist bereits so detailliert, das es schade wäre, sie durch Missachtung verkommen zu lassen. Es gibt immer wieder neue interessante Dinge da zu finden. Oder wusste man bisher, dass das Heysenberg-Haus der Familie Rothner benannt war nach den Großgrundbesitzern (Landadel?), denen weite Teil des Sterstorfer Forstes gehörten?

17.08.2008 21:51
Um die ganze Sache noch verwirrender, aber auch interessanter zu machen, habe ich mich mal nach anderen Gematria-Codes umgesehen. Denn wenn die Namen der Protagonisten schon in ein magisches Quadrat passen, kann man dies ja auch gleich interessanter gestalten. Nun bin ich über Agrippas Schema für lateinische Buchstaben bis herab zur Cabala Simplex geklettert, mit einem Blick hin zu sogenannten „Baconischen Chiffres“ und dem Maranatha-Puzzle. Insgesamt fand ich dann bei der Eingabe bei verschiedenen Kalkulatoren für diesen Fall die Cabala Simplex bis hoch zur 24 am einleuchtendsten. Hier gelten ganz zu recht I=J und U=V, und man kommt auf schöne runde Zahlen. LN = 24, DUCASS = 64, macht insgesamt 88. Fehlt noch das stimmlose E in „Ducasse“, das ist 5, alles zusammen 93! Ich werde das mal in ein schönes Puzzlebild verdröseln.
Und hier zur Sicherheit nochmal die Tabelle mit den Zahlenwerten... [LINK]


05.09.2008 15:49
Ich denke, das ist auch der Grund, warum ich die Cabala Simplex so unbefriedigend finde. Gut, man kommt also wenn man vernünftig ist, auf nur 24 Zeichen, aber warum da aufhören? Die griechische als auch die hebräischen Version der Numerologie sind untrennbar mit einem organisch gewachsenen Zeichensystem verzähnt, hier im Abendland kann man noch nicht mal mit Sicherheit sagen, wie das Zeichensystem heißt, das benutzt wird, ohne rot zu werden.
Alphabet kann es ja wohl nur heißen, wenn der erste Buchstabe ein Alpha ist. ABC ist wohl okay, aber kein wirklicher Name. Bereits die Römer fingen irgendwann an, Buchstaben zu verwenden, die sie eigentlich nicht brauchten, um griechische Fremdworte wiedergeben zu können, und alle anderen haben es ihnen nachgemacht. Eine deutsche Gematria oder sagen wir mal eine mitteleuropäische ist allein daher nicht möglich, weil es nicht einmal ein deutsches „Alphabet“ gibt. Das klingt jetzt irgendwie hart, unverdient, eigenartig oder skurril nationalistisch, ist aber durchaus richtig.
Wer zum Teufel braucht ein Y? Der meistgebrauchte Lautwert des Y ist vom Ü nicht zu unterscheiden, das allgemein bereits als Sonderzeichen gilt, zusammen mit anderen Doppelvokalen wie Ä und Ö. Die wurden früher aber noch locker ausgeschrieben und brauchten keine Sonderzeichen. Ligaturen sind was hübsches, aber eher eine Sache der Typographie als der Linguistik.
Wer zum Teufel braucht ein Y? In der deutschen Sprache kommt es nicht vor. Y ist die Form des Buchstabens mit gleichem Namen im wirklichen (griechischen) Alphabet, das den Lautwert U vermitteln soll – kleingeschrieben sieht ein Originalypsilon tatsächlich wie ein u aus. Der Römer an sich ist sparsam, da hat man sich für das U (oder V) einfach das Stengelchen gespart. Aber wenn V = Y, warum dann V + Y im Zeichensatz? Ähnliches gilt fürs W, V doppelt geschrieben. Die erste Ligatur, selbst im Englischen heißt es noch Doppel-U. Ein Doppel-A gibt es aber nicht, auch kein Doppel-I, was wahrscheinlich dem J am nächsten käme. Wundern wir uns, dass das Y in den meisten Sprachen als Doppel für das J oder einen weichen „Dsch“-Laut eingesetzt wird?
Nur mal so im Vorbeigehen… Wie beknackt der Buchstabe C eigentlich ist, und warum die deutsche Sprache eigentlich eher Zeichen für „Ch“ und „Sch“ braucht, könnt man ja mal später besprechen…